Sinti und Roma - Sinti Roma Hannover

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Begriffserklärung

Zigeuner, Sinti und Roma

„Zigeuner“ ist der traditionelle deutsche Begriff für Angehörige der Gruppe der Sinti und Roma. Er wurde vermutlich vom griechischen Wort „Athinganoi“ (Unberührbare) abgeleitet und verweist auf die indische Herkunft. In einigen alten Quellen wird auch von Egyptern oder Klein-Egyptern gesprochen, da vermutet wurde, sie könnten auch aus Ägypten stammen. Im Englischen hat sich diese Herkunftsbezeichnung im Wort „Gypsies“ erhalten.
Für Sinti und Roma war und ist der Begriff des „Zigeuners“ eine Fremdbezeichnung. Die Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma konnte schließlich durchsetzen, dass die Eigenbezeichnung „Sinti und Roma“ verwendet wird.
Sinti bilden in Deutschland, aber auch in Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz eine Bevölkerungsgruppe, die Romanes spricht. Die Bezeichnung Sinti (der Sinto, die Sintezza) verweist vermutlich auf die nordindische Region Sindh. Die deutschen Sinti sind in der Bundesrepublik Deutschland als nationale Minderheit anerkannt. Das heißt, sie sind Deutsche mit einer eigenen Kultur und Sprache, wie Sorben, Dänen und Friesen.
„Rom“ bedeutet in Romanes Mensch. Die Bezeichnung Roma  (Einzahl: der Rom, weiblich: die Romni) ist ein allgemeiner Sammelname außerhalb des deutschen Sprachraums, der in Deutschland überwiegend für Gruppen südost-europäischer Herkunft gebraucht wird.


Es wird allgemein angenommen, dass die Vorfahren der heutigen Roma in unterschiedlichen Gruppen und zu unterschiedlichen Zeiten ihre ursprünglich indischen Siedlungsräume verließen, zwischen dem 5. und 10. Jahrhundert über Persien und Armenien weiter westwärts migrierten und über Südosteuropa nach Mittel- und Westeuropa gelangten. Seit dem späten 14. Jahrhundert ist ihre Anwesenheit in Ungarn in Mitteleuropa belegt.

Geschichte der Sinti in Norddeutschland
Der älteste Beleg für die Ankunft von „Zigeunern“ im Deutschen Reich stammt aus dem Gebiet des heutigen Niedersachsens: In Hildesheim wurde 1407 einer Gruppe von „Tataren“ - diese Bezeichnung blieb in Norddeutschland noch weitere 200 Jahre gebräuchlich – ein Willkommenstrunk gereicht. 1409 erschienen sie als Pferdehändler am Kloster in Obernkirchen im Bückeburger Land. Während sie zunächst als ehrbare Gäste und Händler empfangen wurden, begann in den folgenden Jahrhunderten eine unnachgiebige Verfolgung. Die Gründe waren vielfältig: im Jahr 1497 wurden sie vor dem Hintergrund der „Türkenkriege“ verdächtigt „Erfarer und Ausspeher“ des christlichen Landes zu sein. Der Reichstag des folgenden Jahres beschloss, dass sie des Landes verwiesen werden sollten und würden sie dann noch angetroffen werden, sollte derjenige straffrei ausgehen, der sie tätlich angreifen würde.
Die Zunftordnungen des Mittelalters und das Verbot des Landerwerbs führten zu einer wirtschaftlichen Beschränkung auf den ambulanten Handel.
Bürgerkriege zwischen den Religionen, die Heerzüge der katholischen Söldnerheere, Missernten und Krankheitsepedemien führten im norddeutschen Raum zum Tod großer Teile der Bevölkerung. Die Inquisition verfolgte Verdächtige, die mit dem Teufel im Bunde zu stehen schienen. Frauen wurden als Hexen verbrannt und die unheimlichen Fremden gepeinigt oder getötet, wenn sie aufgegriffen wurden. Die Verordnungen und Erlasse der Obrigkeiten, der Könige und Bischöfe, der Landesfürsten des 16. und 17. und 18. Jahrhunderts sind voller grausamer Bestrafungsanordnungen gegen  „Zigeuner“. Sie werden ständig wiederholt, weil sich einerseits die „Zigeuner“ diesen Bestrafungen entzogen  und weil die „Zigeunerjagden“ lediglich dazu führten, dass sich die Kleinstaaten die „Zigeuner“ gegenseitig zutrieben. Im 19. Jahrhundert wurden die Strafen entschärft, jeder „Zigeuner“ sollte zwar weiterhin einfach in das Ausland geschafft werden. Da es aber zunehmend zwischenstaatliche Abkommen gab, die genau das verhindern sollten, wurden dauerhafte Abschiebungen letztlich verhindert. Damit wurden den Familien die Erwerbsmöglichkeiten weitestgehend genommen. Auch am Ende des 19. Jahrhunderts wurden „Zigeunern“ immer noch jede Staatsbürgerschaft oder Heimatrecht abgesprochen, auch wenn nachgewiesen konnte, dass sie „Inländer“ waren und ihre Vorfahren vor Ort geboren waren. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass keine längere Ansässigkeit vorlag.
Im beginnenden 20. Jahrhundert, im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik unterlagen Sinti Beschränkungen im Alltag. Ihr Aufenthalt vor Ort sollte verhindert werden, mit erhöhten Standgebühren und der Beschränkung der Aufenthaltszeit. Eine Etnologisierung der Vagabundenverfolgung fand statt. Nach rassistischen Kriterien sollten „Zigeuner“ in polizeilichen Maßnahmen erfasst werden.
Die NS-Verfolgungsbehörden griffen nach 1933 auf eine antiziganistische Stimmung und auf bereits erfolgte Sonderregelungen zurück.


Der Völkermord an Sinti und Roma

Mit dem nationalsozialistischen "Blutschutz-Gesetz" ("Nürnberger Gesetze") und dem "Ehe-Gesundheits-Gesetz" (beide September 1935) wurden die Sinti und Roma neben den Juden als "Artfremde" gesellschaftlich ausgegrenzt und der Verfolgungspolitik preisgegeben. Die "Rassenhygienische und bevölkerungs-biologische Forschungsstelle" erhielt den Auftrag, Sinti und Roma administrativ zu erfassen; dies bildete eine Voraussetzung für ihre systematische Vernichtung. Die Ernennung Heinrich Himmlers zum "Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" (1936) steIlte die Weichen für eine zentralisierte Verfolgung der Sinti und Roma und für den Aufbau eines entsprechenden Apparates von der Reichs- bis hinunter auf die Ortsebene. Der "Zigeuner-Runderlass" (1938), der die "Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse heraus" in Angriff nehmen sollte, formalisierte die Verfolgungspolitik und wies auf eine bereits früh in den Denkschemata des Nationalsozialismus erkennbare, auf Vernichtung zielende Richtung. Die Verfolgung oblag einem eigenen Apparat, der vom "Reichssicherheitshauptamt" (RSHA) über die "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" bis zu den Ortspolizeibehörden reichte, die zur ständigen Überwachung und zur Zuarbeit für das RSHA verpflichtet waren. Verschiedene NS-Institutionen, z.B. das "Rasse- hygienische Forschungsinstitut', das "Rasse- und Siedlungsamt der SS" und das "Ahnenerbe e. V." erstellten im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie und auf der Grundlage bestimmter (pseudowissenschaftlicher) Klassifikationen Gutachten über Personen und Familiengruppen; diese Gutachten setzten Maßstäbe für die "Behandlung" dieser Menschen, die sich aber im Kern nur in der Form der Verfolgung unterscheiden sollte. Im Zweiten Weltkrieg eskalierte die Verfolgung der Sinti und Roma - vergleichbar den Judenverfolgungen im nationalsozialistischen Machtbereich - zum Völkermord (Genozid). Viele starben in Sammellagern an Hunger, Krankheit oder Erschöpfung, andere wurden in den seit 1940 von deutschen Truppen besetzten und dem Zugriff der SS ausgesetzten Ländern Europas ermordet oder in die Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen verschleppt und getötet. Zentrum des Genozids an den deutschen Sinti und Roma war das Vernichtungslager Auschwitz. Parallel zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik wurden in bestimmten Konzentrationslagern zwangsweise Sterilisationen vorgenommen.

AK Sinti und Roma / Kirchen

Verfolgung auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens
Aus dem Gebiet des heutigen Niedersachsens wurden 1938, 1940 und 1943 Sinti und Roma in Arbeitslager und Vernichtungslager deportiert. Die Zahl der als sogenannte "Asoziale" in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen deportierten Männer wird bei mehreren hundert liegen. Als Verhaftungsgrund reichte die Beschreibung - kein fester Wohnsitz, unregelmäßiges Einkommen - und die Familienmitglieder, insbesondere Väter wurden verhaftet.
Eine Rekonstruktion der Vorgänge konnte bis heute nicht ausführlich erbracht werden.
1940 wurden aus den "nordwestlichen deutschen Grenzgebieten", insbesondere aus Hamburg, mehr als 1000 Sinti und Roma in das Generalgouvernement in das besetzte Polen gebracht.  Im März 1943 wurden die meisten, den Verfolgungsbehörden bekannten Sinti, in einem großen Transport nach Auschwitz-Birkenau in das sogenannte Zigeunerlager deportiert. Der Zug, der diese Opfer aufzunehmen hatte, hielt in den Städten Osnabrück, Minden, Hannover, Braunschweig und Magdeburg. In diesen Städten wurden sowohl diejenigen verhaftet, die sich in den kommunalen Sammellagern in Osnabrück-Papenhütte, in Hannover-Altwarmbüchener Moor, in Braunschweig-Veltenhof aufhielten, als auch die Familien, die noch im Stadtbereich wohnten. In Braunschweig wurde die Mehrzahl im Sammellager, in Hannover die Mehrzahl in ihren Wohnungen verhaftet. Namentlich bekant sind bis heute etwa 700 Personen. Fast alle Verhafteten starben in den verschiedenen Konzentrationslagern. Die Überlebenden aus Auschwitz-Birkenau wurden noch nach Ravensbrück in das Frauenkonzentrationslager, die Männer nach Buchenwald und anschließend nach Nordhausen-Dora in den Harz gebracht. Von dort wurden sie am Ende des Krieges noch in das Konzentrationslager Bergen-Belsen transportiert.
Nach 1945

Diskriminierung und Stigmatisierung von Sinti und Roma waren nach 1945 nicht beendet. Kommunale Behörden aber auch die Polizei und die Länder versuchten erneut Sonderbestimmungen gegen "Zigeuner" einzuführen und hatten damit zum Teil Erfolg. In Bayern wurde 1953 die "Landfahrerverordnung" geschaffen, in Niedersachsen 1955 das "Merkblatt zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens". Die Lebenssituation der NS-Verfolgten war katastrophal: viele lebten nach dem Krieg wieder in den kommunalen Sammellagern, die noch die NS-Behörden geschaffen hatten, am Rand der Städte. Wagenplätze, die oft lediglich an einer Müllkippe geduldet waren, oder private Standplätze, besaßen in der Regel keine hygienischen Mindeststandards. Erst  in den 1980er Jahren konnten die schlimmsten Misstände beseitigt werden. Sinti und Roma organisierten sich in Verbänden und Vereinen und forderten Gleichberechtigung, bessere soziale Verhältnisse und Anerkennung ihrer kulturellen Werte.
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