Z-Projektionismus und Antiziganismus: Neue Perspektiven aus der historisch-politischen Bildung – Vorstellung und wissenschaftliche Evaluation

Im September 2025 realisierte der Niedersächsische Verband deutscher Sinti e.V. im Rahmen eines Projekts, welches von DemokrattieLeben! und der Stadt Hannover gefördert wurde, ein bundesweit einmaliges Veranstaltungsformat zur Validierung und Weiterentwicklung des Konzepts der Z.-Projektion. Dieses wurde von Mario Franz, dem Präsidenten des Verbandes, seit 2016 als Analyse- und Bildungsinstrument entwickelt, um personengebundene Diskriminierungsmechanismen sichtbar zu machen, ihre psychosozialen und historischen Kontexte offenzulegen und neue Formen der rassismuskritischen Bildungsarbeit zu ermöglichen. Das Modell will einen Beitrag dazu leisten, Antiziganismus differenzierter zu verstehen, kritisch zu hinterfragen und langfristig zu dekonstruieren – insbesondere durch die bewusste Verschränkung wissenschaftlicher Reflexion mit Community-Perspektiven.

Zwei zentrale Veranstaltungen bildeten den Kern des Projekts:
Am 07.09.2025 lud der Verband gemeinsam mit der Gedenkstätte Ahlem unter dem Titel „Alte Routen – neue Einsichten“ zu einem interdisziplinären Mapping-Workshop. Hier wurden erstmals öffentlich die Ergebnisse des Forschungsprojekts RomMig vorgestellt – historische Karten, die die Migrationsbewegungen deutscher Sinti und Roma nach Großbritannien zwischen 1871 und 1915 dokumentieren. Die Karten dienten als Impuls für Diskussionen über Exklusionsmechanismen, Narrativkontinuitäten und didaktische Transfermöglichkeiten, insbesondere in Bezug auf Z.-projektionistische Ausschlusspraktiken. Die Verbindung von Community-Expertise, Oral History, Archivarbeit und wissenschaftlicher Interpretation stand dabei im Vordergrund – moderiert und gemeinsam entwickelt im offenen Dialog.

Gruppenbild-vor-der-Gedenkstätte-Ahlem-Hannover

Wissenschaftliche Validierungsveranstaltung 08.09.2025 im Rathaus Hannover

Am 08.09.2025 fand im Mosaiksaal des Neuen Rathauses Hannover die wissenschaftliche Validierungsveranstaltung statt. Rund 30 Fachwissenschaftler:innen aus dem Bundesgebiet und Europa kamen zusammen, um das Konzept der Z.-Projektion kritisch zu reflektieren und gemeinsam weiterzudenken. Mario Franz präsentierte die Grundlagen des Modells – insbesondere im Hinblick auf kollektive Projektionen, psycho-soziale Zuschreibungsmechanismen und die langfristigen Effekte stigmatisierender Narrative auf politische, soziale und kulturelle Handlungsspielräume von Sinti und Roma.

Oberbürgermeister Belit Onay eröffnete die Veranstaltung und betonte in seinem Grußwort die besondere Bedeutung des Projekts für die Stadt Hannover. Er freue sich, „dass sein Haus zur Verfügung stehen konnte“ – und würdigte die Arbeit des Verbandes als wegweisend. Auch Mustafa Yalcinkaya vom Niedersächsischen Kultusministerium (Referat 24) sowie Daniel Kalifa, zuständig für das Antidiskriminierungsnetzwerk der Landeshauptstadt Hannover, begleiteten die Veranstaltung aktiv. Beide signalisierten nicht nur politische Unterstützung, sondern betonten die hohe gesellschaftspolitische Relevanz der vorgestellten Forschungsperspektiven.

Wissenschaftlich besonders gewürdigt wurde das Konzept durch Beiträge von Prof. Dr. Christoph Rass (Universität Osnabrück), Prof. Dr. Eve Rosenhaft (University of Liverpool) sowie Prof. Dr. Thorben Struck (Hochschule Coburg). Sie hoben hervor, dass die Z.-Projektion nicht nur analytisch innovativ, sondern auch praktisch einsetzbar sei – in der Bildungsarbeit, im Erinnerungskontext und als heuristisches Werkzeug zur Dekonstruktion rassistischer Zuschreibungen wie etwa „Nomadentum“, „Großfamilie“, „Asozialität“ oder „Sippenstruktur“. Sie alle stellten klar, dass das Konzept einen wichtigen Impuls zur Reform etablierter Erinnerungs- und Vermittlungspraktiken geben kann.

In beiden Veranstaltungen wurde die Wichtigkeit kooperativer Forschung diskutiert und herausgestellt: Betroffene Perspektiven wurden nicht nur eingebunden, sondern als erkenntnistragend anerkannt. Der Verband selbst übernahm nicht nur die Organisation, sondern brachte eigene Forschungsperspektiven, Community-Zeugnisse und Methodenkompetenz ein. Die Rolle von Community-Expert:innen und wissenschaftlich geschulten Angehörigen der Communities – wurde als entscheidend für die Validierung des Konzepts betont. Das Projekt unterstreicht damit einen Paradigmenwechsel: Von Forschung über Communities hin zu Forschung mit und aus ihnen heraus.

In der Nachbereitung der Veranstaltung ist nun die Publikation eines wissenschaftlichen Beitragsprotokolls in Vorbereitung, in das Beiträge der anwesenden Wissenschaftler:innen ebenso einfließen wie Rückmeldungen und Analysen aus der Community. Geplant sind außerdem neue Kooperationen mit der Leibniz Universität Hannover und der Universität Osnabrück, um die wissenschaftliche Anschlussfähigkeit der Z.-Projektion zu erweitern.

Ein vertiefender Projektbericht wird in Kürze auf der Website bereitgestellt.

Einladungsflyer-Workshop-Gedenkstätte-Ahlem